Herbstbilder
Von meinem Fenster aus sehe ich morgens
Silberne Schleier den Garten durchziehn.
Von meinem Fenster aus seh ich geborgen
Blitzende Wasserköpfchen zersprühn.
Von meinem Fenster aus seh ich die Sonne
Wie sie die goldenen Blätter umwebt,
Höre den wirbelnden Herbstwind verrauschen,
Der noch verglühenden Farben nachstrebt.
Valparaíso, Mai 1950
Nach Deutsch-Nienhof kam ich wieder
Als kein Schnee im Tann mehr hing,
Sondern sich im Laub der Buchen
Sommersonnenschein verfing.
Golden lagen rings die Garben,
Wolken bauschten sich im Blau,
Und umrandet vom Waldeswehen
Ruhten Hügel, Feld und Au.
An den Sträuchern prangte Beeren,
Birnen leuchteten ins Land.
Leise sang der See und schickte
Well’ auf Well’ zum Börnerstrand.
In den Gärten, auf den Koppeln
Regte sich ein’ jede Hand…
Arbeit, Mühe und Erfolg!
Segen hatte Gott entstandt.
Auch das Schloß nahm auf vom Blühen,
Barg der Rosen Duft und Glut;
Ehrwürd’ge Kommodn trugen
Schönster Dahlien far’ge Flut.
All dies durfte ich genießen,
Holsteins Schmuck und Fruchtbarkeit,
Und ich möchte Nienhof danken
Herzlichst für die schöne Zeit. ‒
17. August 1953
Frühlingsnahen
Es tanzen die Zweige im Winde,
noch ohne ihr zartgrünes Kleid.
Sie winken dem Frühling entgegen;
der Frühling ist nicht mehr weit.
Auch wir spüren in uns ein Sehnen,
ein Sehnen nach Wärme und Licht.
Es wogt uns das Blut durch die Herzen,
und heller wird unser Gesicht.
Was eben verborgen noch träumte,
wird leis, wie von Zauber erweckt.
Es sprießen die Blätter und Blumen,
die lange der Schnee hat verdeckt.
So weitet sich unser Verlangen
nach Freiheit, nach Frieden und Glück.
Wir finden ermutigt zusammen.
Wir schauen nach vorn, nicht zurück.
18. März 1980
Die Feldlerche
Schraubend steigt sie in die Lüfte,
singend, schwirrend, voller Lust! –
zieht den Blick mir in den Himmel,
sprengt die Fessel in der Brust.
Immer höher in den Himmel
schraubt sie singend sich ins Blau,
immer weiter, immer tiefer.
In mir spür’ ich es genau.
Nun aus lichten Höhen lässt sie
gleiten sich in Feld und Sand. –
Singend steigt sie. Lautlos fällt sie,
steigt und fällt in Gottes Hand.
Chesnay, 15. Juli 1980
Im Schnee
Was ich ersehnte,
wurde wahr:
Ein Wintermärchen
weiß und klar.
Am Strand in Chile
träumte ich
vom hohen Norden
winterlich,
von Wäldern, Weite
Einsamkeit –
die ich erleb’
sogar zu zweit.
Im roten Dunst
erstrahlt ein Stern.
Sein Licht ist nah,
er grüßt von fern.
Hoch über dem
verschneiten Wald
ziehn Schwäne,
und ihr Ruf erschallt
zu uns hernieder
in den Schnee
wo ich verzaubert
bei dir steh.
Januar 1979
Es schneit
Der Park liegt weiß im Nebel,
und sachte fällt der Schnee.
Er hüllt die Welt in Zauber,
deckt letztes, dunkles Weh.
Er fällt und fällt in Schweigen
unendlich ruhig, sacht.
Die lautlose Bewegung
mich gar besinnlich macht.
Im alltäglichen Treiben,
das unser Haus erzwingt,
bleib ich auf einmal stehen,
weil mir der Himmel winkt.
Im Schweigen musst du wirken –
der Schnee macht es dir vor.
Zum tiefsten, schönsten Wunder
öffnet es Tür und Tor.
25. Januar 1980
Waldmeister
Mit dem Frühling kommt die Bowle
duftend aus dem Wald ins Haus.
Grünen, Blühen, linde Lüfte!
Mit der Kälte ist es aus!
Waldmeister und Wein und Zucker
süßen bis ins Herz hinein.
Und die Frühlingsdüfte weben
noch im tiefen Dämmerschein.
13. April 1981
Fülle
Ein kleines Würmchen nur
auf Gottes Erden;
und doch so viele Sorgen
und Beschwerden.
Und doch so viel an Glück,
das kaum zu fassen.
Kann diese Fülle sich
ins All entlassen?
Kann denn ein großes Feuer
ganz verglühen?
Was hier nur Knospe,
wird’s im Jenseits blühen?
Ekhöft, 2. April 1986
Einem Fleckchen Erde
Ich habe Angst, dir Lebewohl zu sagen,
weil Glück und Freude sich in dir vereint.
In langen Nächten habe ich gesonnen
und in Gedanken daran heiß geweint.
Gerade jetzt will ich mich von dir trennen,
wo es zu blühn begonnen hat mit Macht,
wo alles – wie von einem Zauberstabe
berührt – zu voller Lebenslust erwacht?
Wer sagt denn, dass es richtig ist, zu gehen?
Was drängt mich nur so schmerzlich von dir fort?
Ist’s mein Verstand, muss denn auf ihn ich hören?
Spricht das Gefühl nicht erst das wahre Wort?!
Es rufen draußen Taten mich und Pflichten.
Ich kann nicht weiterleben wie im Traum.
Doch ich bewahre dich in meinem Herzen
mit deinem blühenden Kastanienbaum.
Ekhöft, 11. Mai 1986
Sein Baum
Wir gingen die alten Pfade.
Wir gingen so glücklich zu zweit –
mein Sohn, der jetzt schon erwachsen,
und ich – in der Einsamkeit.
Wir suchten den Baum seiner Kindheit. . .
Wir fanden ihn stark und groß.
Er hatte Platz zur Entfaltung.
Das sei auch des Menschen Los.
Wir wollen ihn nicht unterdrücken,
wenn einer nach Freiheit strebt.
Er findet schon seine Bestimmung
im Keim, den er in sich trägt.
25. Dezember 1989
November
Herbstleuchten ist erloschen.
Im Nebel steht der Baum.
Es floh das bunte Leben
in einen stillen Traum.
Wildgänse ziehen rufend
am Abendhimmel hin. . .
Wehmut und feine Weisen
erfüllen meinen Sinn.
Ich liebe diese Stimmung.
Ein Ahnen rührt mich an,
das in dem lauten Sommer
nicht spürbar werden kann.
Ein Ahnen von dem Wunder,
das Schleier noch verbirgt,
das aber heimlich leise
ein neues Leben wirkt.
Geheimnis liegt in allem. . .
Hinter dem Grau ist Licht.
Verlier’ den Mut, die Freude,
verlier’ den Glauben nicht.
Ekhöft, 11. November 1990
Ulme
Es sterben die Ulmen in unserem Land.
Auch jene ging ein, die am Haus bei uns stand.
Es war ein uralter, ein herrlicher Baum.
Noch manchmal begegnete er mir im Traum.
Er streute die Samen weit übers Land.
Doch seine Vergiftung er nicht überwand.
Zu unserem Kummer, zu unserer Not,
erlag er der Krankheit, verfiel er dem Tod.
Mein Sohn aber rettet das Holz, das er fand:
Es schmückt jetzt als Schränkchen die helle Wand.
Die Maserung leuchtet an diesem Ort.
So lebt die Ulme im Hause noch fort.
Deutsch-Nienhof, 18. Oktober 1993
Gewitter
Brütende Hitze.
Der Himmel grollt.
Über den Wäldern
der Donner rollt.
Dunkel umfängt uns. –
Nur hell besonnt
ist noch ein Streifen
am Horizont.
Dann braust’s hernieder
mit ganzer Macht!
Wolken verwandeln
den Tag in Nacht.
Regen und Hagel
nach stürmischem Wind.
Gib, Gott, im Hause
Schutz jedem Kind.
Ekhöft, 29. Juni 1994
Sommerabend
Ein Lächeln, und ein letzter Gruß vom Rade,
erfrischt die braune Haut vom kühlen Bade,
so seh ich ihn, eh er mir ganz entschwunden
und mit dem Sohn die schönen Sommerstunden.
Ich wink’ ihm nach und wünsch’ ihm Gottes Segen –
tret’ still ins Haus. Da kommen mir entgegen
vertraute Spuren eines schlanken Fußes.
Ich lächle ob des ungeahnten Grußes.
Vom See her kommend durch die Küchentüre
laufen die Spuren. . . und mir ist’s, als spüre
ich seinen Arm nochmal um mich gelegt
und meinen Geist durch seinen angeregt.
Aus seinen Augen sprüht vergnügt der Scherz;
und dieses Strahlen fällt mir tief ins Herz.
Ekhöft, 30. Juli 1995
Bei den Kirschbäumen
Zwischen Deinen Bäumen,
durch ein Blütenmeer,
geh ich heute abend
neben dir einher.
In ein rotesLeuchten
ist die Welt getaucht.
Weithin haben Engel
Frühlingsduft gehaucht.
Und wir blicken sinnend
übers stille Land.
Lohn für deine Arbeit
hat uns Gott gesandt.
7. Mai 1996
Der Kuckuck
Unermüdlich ruft der Kuckuck
durch die milde Frühlingsluft.
Und die Blütenpracht im Garten
hüllt uns ein in ihren Duft.
Unterm Rosenbusch geboren
wurde jüngst ein Häschenpaar.
Auf der Wiese grast vertraulich
eine wilde Gänseschar.
Rehe ziehn über den Rasen,
Igel huschen im Gesträuch.
Vorsicht! sag’ ich mir im Stillen,
dass ich kein Getier verscheuch!
Adler schweben unerreichbar
unter blauem Himmelszelt.
Welch ein Zauber liegt in allem!
Wundersame Märchenwelt.
Auf dem See verschwimmt der goldnen
Abendsonne Widerschein.
Und der Kuckuck ruft sich weiter
tief in unser Herz hinein.
7. Juni 1996
Deine Bäume
Wo ich gehe, wo ich stehe
grüßt von Dir ein Bäumchen mich:
Eine Weide wiegt im Winde,
die Kastanien kleiden sich
in ihr frühlingshaftes weißes
und ihr rotes Festgewand.
Ja, sie alle pflanztest freudig
du für uns mit eigner Hand.
Und die Eichen, die den Namen
geben unserm schönen Heim,
prangen frisch im grünen Laube.
Guter Herkunft ist ihr Keim.
Dort, der Ginkgo, der von Freunden
dir zum Festtage geschenkt –
der von Goethe träumt und Weimar –
Kennerblicke auf sich lenkt.
Die Acacia frisia grüßt uns
hell vorm dunkeln Pappelgrau.
Unsre Eberesche deutet
wie ein Stab ins Himmelblau.
Leuchtend gelb grüßt mich dein Ahorn,
neben ihm der Ilexstrauch.
Die drei Linden duften herrlich,
spenden Schutz nach altem Brauch.
Und im Herbst die Vogelbeeren
leuchten rot am Waldessaum.
Ein ersehnter, stimmungsvoller,
Wirklichkeit gewordner Traum.
Esche, Goldulmen und Birke. . .
Blutbuchen – ganz nah ein Reh!
Bänke mit dem schönsten Ausblick
zieren Deinen Park am See.
Und es fehlt noch immer einer:
Nächstens schickt die Flügelnuss,
hinter unsrer alten Pappel,
uns hinüber ihren Gruß.
Längs der Straße pflanzt zur Freude
anderer Du manchen Baum:
Ahorn, Eichen und Kastanien,
die Du pflegst am Feldessaum.
Auch im fernen Chile wachsen
Deine Wälder schon heran.
Ihre Pracht zieht Forstexperten
voll und ganz in ihren Bann.
Wo der Sturm den Obstbaum fällte,
steht in unserm Ekhöft jetzt
eine kleine Araukarie,
die Du mir dort hingesetzt.
Mit der großen Wassertonne
ziehen wir von Baum zu Baum –
fröhlich in der Sommersonne –
denn es regnete noch kaum.
Du erträgst nicht, wenn sie dursten,
scheust das Wasserschleppen nicht,
und ein jeder deiner Bäume
dankt’s und prangt im Sommerlicht.
Wunderbar, dem Herzen nahe
wächst der Nussbaum, kraftvoll schon –
ein Geschenk von unsern Söhnen –
Dir, dem Pflanzer, Dir zum Lohn.
zum 30. August 1998
An die Waldbauern
Es streben die herrlichen Bäume
ins Blaue des Himmels hinein. –
Als Ihr in die Erde sie setztet,
wie waren sie spindelig klein!
Verschwindend erscheint uns ihr Samen.
Und doch, welche Kraft wohnt darin!
Sie trotzt den Gewittern und Winden,
erfüllt ihren höheren Sinn.
So sollte der Mensch sich befreien
von allem, was niederzieht.
Statt Lärm und Gerede der Straßen,
erlauschen des Waldes Lied.
So sollte der Mensch auch erkennen
die Kraft, die in jeden gelegt,
sie niemals verkümmern lassen,
entflammen, was in ihm sich regt.
Quilas Bajas, 7. März 1999
Die Bank
Mitten im Flieder
steht eine Bank!
Du warst es wieder,
Dir gilt mein Dank.
Hinter der Wiese
seh ich das Haus.
Hier find ich Frieden
tagein und tagaus.
Ekhöft, 15. September 2013
An Hermann
Du hast viele Bäume und Wälder
gepflanzt in aller Welt.
Kein Wunder, dass mancher Besucher
im Gehen innehält.
Begeistert erblickt er das Blühen,
im Herbst das Leuchten im Wald,
wenn laut die Rufe der Wildgans,
das Röhren der Hirsche erschallt.
Wir denken an deine Arbeit
im Park, in den Wäldern zurück.
Auch kommenden Generationen
schenkst du Erholung und Glück.
Ekhöft, um 2015